Hände hoch! Festival!

Diese Woche ist es zwanzig Jahre her, dass ich auf meinem ersten Festival war. 1995 und 1996 war ich in Holland aufm dem Dynamo Open Air – und es war großartig. Allerdings ist es auch mittlerweile schon wieder 12 Jahre her, dass ich 2003 bei Rock am See war. Irgendwie ist das alles nicht mehr meins. Und ich glaube irgendwie nicht, dass das nur an mir liegt.
Also Holi, mit dir geht mein Unverständnis los. Was willst Du mir sagen? Die Webseite verkündet “Bekannt aus Funk und Fernsehen”. Das hört man sonst eher, wenn irgendwo „Die Amigos“ spielen. Euphorisierte potentielle Teilnehmer, meist sehr jung und weiblich, sagen es sich untereinander bei Facebook wortlos. Vorzugsweise mit einer namentlichen Verlinkung. Eventuell noch ein “Chantal, <3 daaaa müssen wir hin“. Ja, warum, fragt die Spaßbremse in mir? Und warum zu Tausenden? Wegen der Exotik, die zwischen Reihen von Dixiklos, Ketten von Bauzäunen und uniformierten Stiernacken am Einlass am besten zur Geltung kommt? Wegen des Gemeinschaftsgefühls? Wegen des Spirits? Leute, das Holi “Endlich auch in Deiner Stadt” Festival ist Primark auf Electrobeats. Überall gleich, austauschbar, seelenlos. Falls ihr doch hingeht, bei blonden Haaren: Duschhaube nicht vergessen.


Staub(ge)schichten

Wer nach einem fiesen Beziehungsaus auch schon mal Tage, Wochen oder Monate in der ehemals gemeinsamen Wohnung gesessen hat, wird sich in diesem Text wiederfinden.
Zuhören konnte er nicht mehr. Sein Kopf hatte auf Leerlauf geschaltet. Auf Sahara und Antarktis zugleich. Er wollte ihr auf seinen Schultern den Ausgang aus dem Labyrinth zeigen, wusste aber dass auch das nicht würde helfen können, da ihr Kompass schon lange keine Nadel mehr besaß. So saß er stumm auf dem Sofa und nickte. Hörte ihr zu wie sie ihre wichtigsten Sachen zusammen packte und nickte. Hörte ihr zu wie sie sagte das sie nun erstmal zu einer Freundin ziehen würde und nickte. Hörte ihr zu wie sie die Tür hinter sich zu warf und nickte. Blieb noch lange einfach so auf dem Sofa sitzen, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen. Er saß einfach nur da und nickte. Völlig abgeschottet von der Welt.


Interview with a Torturer

Ich könnte das nicht. Einem der Männer gegenübersitzen, die verantwortlich sind für den Tod von Tausenden. Noch schlimmer: Für den Tod der eigenen Familie. Der Text ist lang, tut weh und ist vielleicht gerade deshalb nicht ganz unwichtig.
I don’t like the overused word “trauma.” Today, every individual, every family has its trauma, whether large or small. In my case, it manifests itself as unending desolation; as ineradicable images, gestures no longer possible, silences that pursue me. I ask Duch if he used to dream at night in his cell in the tribunal’s prison. A man who has commanded a place like S-21, and before that M-13, another detention and execution center in the jungle—doesn’t such a man see in nightmares the agonized faces of his victims, calling to him and asking him why? The face, perhaps, of the young and beautiful Bophana, twenty years old, who was savagely tortured for several months?

As for me, ever since the Khmer Rouge were driven from power in 1979, I’ve never stopped thinking about my family. I see my sisters, my big brother and his guitar, my brother-in-law, my parents. All dead. Their faces are talismans. I see my little nephew and niece again—how old are they? five and seven?—starving, breathing with difficulty, staring into space, panting. I remember their last days, their knowing bodies. I remember helplessness. Childish lips closed tight. Duch seems surprised by my question. He thinks for a bit and then says simply, “Dream? No. Never.”


Confessions Of a Drug-Addicted High School Teacher

Vom selben Autor, den ich hier in Ausgabe 64 schon mal mit Sex On Wednesdays hatte. Und wieder richtig gut. Kann man heutzutage eigentlich überhaupt nüchtern Lehrer sein?
“You Ok?” I asked.

Silence.

I was used to students coming in to chat. I had first period prep and taught seniors, who rarely had a first period. Kids would often come in just to kick it, listen to music while I graded, hang out, whatever. But this was different.

He tried to spit his words out, but his lips seemed unwilling to play their part. He choked on syllables while he leaned forward. Finally, he managed to blurt out: “I’m gay.”

More silence, but thicker this time.


Fiction: Reboot

Das Universum ist eins dieser Dinger, die viel zu komplex sind, als dass sich einer alleine drum kümmern könnte. Aber irgendwer muss ja. Gibt’s da ne Admin-Gruppe, oder wie läuft das? Hm…
This time there are three: the rock creatures with their magma innards of the 2nd hive of the multiverse, and who evolved to possess the ability to transform into ships with hyper-light drives; the mercurial species of the 42nd hive, who needed no ships to travel in space, but who also were so long-lived and patient that they had no need of speed; and the immortal Shritari, a bipedal race who gloried in technology and the accumulation of knowledge and wisdom, and who were responsible for planning this current search-and-gather get-together at the end of the multiverse.


Wird romantische Liebe überschätzt?

Schöner Text über das, was eine Beziehung ausmachen kann.
Vor fast zwanzig Jahren rief mich etwa meine damalige Freundin völlig aufgelöst an – sie hatte den falschen Zug genommen, war ausgestiegen und stand nun Irgendwo zwischen Köln und Bonn, sie wusste nicht, wo genau. Ich fuhr los und wie mit einem inneren Navigationssystem ausgestattet zu ihr. Zufall? Natürlich. Aber mit der richtigen Dosis Liebe sieht es aus wie Magie. Jede Liebe kennt solche Geschichten von weltlicher Zauberei.


Silicon Valley’s Eating Up Super Ritalin. I Got the Best of It.

Ich wäre eh viel zu feige, um sowas mal auszuprobieren. Aber reizen würde es mich natürlich schon.
The promise? They’ll increase concentration, memory, attention span, combat sleep fatigue, and—in some cases—flat out change the way our brains work. Not in a fantastical sense, like in the way the miracle pill in the film Limitless allows Bradley Cooper’s character to achieve riches and glory. More like added grease for one’s cognitive gears—a synaptic lubricant that normally healthy people are taking to operate at optimal levels of clarity, stamina, and focus.


Out of This World

Selbstverständlich wird die Schere zwischen Armen und Reichen immer weiter auseinandergehen. Und selbstverständlich ist es reizvoll sich auszudenken, wie das aussehen könnte.
Late winter and lower Manhattan was totally frozen. I was making my way to school, walking down Liberty street. Bob was behind me, his mechanical whirr extra loud this morning, since his defrosters were set to high. It’s kind of amazing that a machine as heavy as Bob is, carrying two mini-guns, can walk this fast without slipping on the frozen sidewalk. I’ve gotten used to the bastard. Since my dad got him a few years ago he’s been with me every minute of the day. Everyone knows that lower Manhattan is totally secure. The National Guard’s stationed at every intersection. But my dad doesn’t want to take any chances, and neither do any of my friends’ parents. A few years ago a Low infiltrated one of the high rises, shooting a hedge-fund manager and his three daughters. Now everyone has a Bob with them at all times.


Ist Gin Tonic der neue Wodka-Energy?

Ich mag das Zeug ja nicht und finde es direkt abartig. Da bleib ich lieber nüchtern. Bäh.
Seit geraumer Zeit schon bringt das wacholdersche Feuerwasser die natürliche Ordnung vieler Ü-30- und Mallorca-Partys durcheinander. Was früher mit Wodka-Energy, Jacky-Cola sowie den beiden Citrus-Titanen Wodka-Lemon und Jägi-Fanta die Hall of Fame einer jeden Dorfdisco bildete, ist nicht mehr in die steinerne Getränkekarte gemeißelt. Das Grundnahrungsmittel Bier ist unantastbar, aber alles andere fürchtet, vom angestammten Platz verdrängt zu werden.

Das erste Mal erlebte ich es vor zwei Jahren in der tiefsten Provinz Südniedersachsens, dass der Wodka-Lemon dran glauben musste und anstatt seiner der ,Gito‘ die Getränketafeln einer Beach-Party zierte. Den Umständen eines dörflichen Idylls entsprechend bekam ich ihn serviert: Im weißen 0,2-Plastikbecher, Gut & Günstig-Tonic, ohne Eis, aber mit Gurke. Der Teufel fährt Lada.


»Ich bin in Rage angesichts unserer Sexualkultur«

Die Leute reden echt viel über Sex. Manchmal ist das sogar interessant.
Sie klingen ja richtig verbittert. Kann es sein, dass Sie eine Rückkehr zur altkirchlichen Sexualmoral gar nicht so schlecht fänden?
Ich gestehe, ich bin in Rage angesichts unserer misslungenen Sexualkultur. Eine Rückkehr zur alten Kirchenmoral ist aber bei uns Gott sei Dank nicht vorstellbar, ganz einfach weil ihr viel zu wenige Menschen folgen würden. Außerdem wünsche ich mir das als Letztes, weil sich die fundamentalchristliche Moral bis auf die Knochen disqualifiziert hat. Denken Sie nur an den Umgang mit Zeugungs- und Empfängnisverhütung, ungewollten Schwangerschaften, Homosexualität und Aids. Es ist eine Tatsache, dass wir es im Westen nicht geschafft haben, eine Ars erotica zu entwickeln, wie es sie ansatzweise in Asien gibt. Wir haben es nur zu einer Kulturbeutel-Kultur gebracht.

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