Es ist wie immer: Sonntag ist Zeit für Buchstaben und frischen Lesestoff.
The Life Of Pablo: Keeping Up With Kanye
Ich habe mir bewusst von dem Typen noch keinen einzigen Song angehört und doch schafft er es und geht mir ganz hart auf den Sack. Wie kriegt der das hin? Ist das doch Zauberei und er ein magisches Genie? Hm…
Ich war gestern im Kino. Modenschau gucken. Noch eine Woche zuvor war ich mir relativ sicher, dass es auch eine Live-Performance eines neuen Albums zu hören geben würde. Gestern, einige Stunden vor dem geplanten Beginn des Live Stream hatte ich eigentlich alle Hoffnung aufgegeben, dass es überhaupt Musik zu hören geben würde: Kanye hatte den Titel des Albums im Vorfeld zigfach geändert, die angeblich finale Tracklist wurde immer wieder neu ausgewürfelt und kurzfristig sah es sogar aus, als würde Kim Kardashian ihre Twitter Follower per Umfrage über den Titel entscheiden lassen.
Im Kino dann die Gewissheit: Das war kein Album. Das war eine aus dem Ruder gelaufene Privatfeier für Kanye, seine Schwiegerfamilie und ein paar beinahe ebenso berühmten Kumpels. Im Madison Square Guarden. Und live in hunderte Kinos in Europa gestreamt
Hamburger Türsteher – „Die größten Probleme machen nicht Flüchtlinge, sondern Anzugträger über 30“
Ich hab ja schon so einige Türsteher vor mir stehen gehabt, ohne dass ich hinterher den Wunsch gehabt hätte, mich mit ihnen länger zu unterhalten. (Ja, natürlich hab ich auch meine Vorurteile.) Dieser hier macht den Eindruck als könne man das mit ihm ganz gut machen.
Einige Kollegen von Ihnen haben vorgeschlagen, dass Türsteher auf dem Kiez Patrouille laufen sollen, damit sich die Menschen wieder sicher fühlen. Was halten Sie davon?
Von dieser Idee halte ich gar nichts. Das ist eine schlecht ausgedachte PR-Maßnahme. Erstens vermittelt man den Gästen damit: Wir Clubs sorgen jetzt mal für Sicherheit, weil die Polizei es nicht kann. Aber wir haben hier nicht den Wilden Westen auf der Straße, die Polizei tut ja was. Hundertprozentige Sicherheit kann es beim Weggehen einfach nie geben, das muss sich jeder klarmachen. Und vielleicht nicht die Abkürzung durch die dunkle Straße nehmen.
Abgesehen davon fürchte ich, dass viele Leute, die sich für so was melden, eine Art Heldenkomplex haben. Zum Beispiel beobachte ich bei vielen Kollegen, die selbst einen Migrationshintergrund haben, eine Über-Integration, nach dem Motto: Wir, die guten Migranten, beschützen euch Deutsche. Da wird es schnell sehr emotional, unsachlich. Ich jedenfalls möchte nicht, dass drei Jungs mit schwarzen Haaren irgendwo rumstehen, sich beratschlagen, wo sie als Nächstes hingehen – und dann kommt so eine Patrouille vorbei und fragt: Was macht ihr hier? Zeigt mal eure Ausweise! Das kann doch nur eskalieren!
The Problem With Hollywood’s Portrayal of Pregnant Women
Denkt man jetzt nicht unbedingt oft drüber nach, ist aber was dran.
Not too long ago, even famous women could be realistically pregnant in the public eye. Gestation was a time when the strict and absurd standards of female beauty relaxed, when Princess Diana could go about in a synthetic muumuu. Nowadays, Anne Hathaway feels compelled to out herself on Instagram to scoop the paparazzi stalking her at the beach. Bustle estimates that Hathaway is due in June, yet she looks like she is as far along as Angharad. In other words, she appears to be in her second trimester, and she is. This is shocking only by the fun-house mirror standards of Hollywood.
»Ich kam mir vor wie ein Rebell«
Ich krieg ja in meinen Kopp nicht rein, wie man aus religiösen Gründen so einen Scheiß machen kann und sich derart in Sachen reinsteigern kann, aber gut, es gibt diese Leute und wir müssen irgendwie versuchen zu verstehen, wie sie ticken. Dazu müssen wir mit ihnen sprechen.
SZ-Magazin: Sie waren sechs Jahre lang Salafist und haben sich den strengen Regeln dieser Glaubensrichtung rückhaltlos unterworfen. Können Sie sich vorstellen, was in den Köpfen von Menschen vorgeht, die sich heute dem Islamischen Staat in Syrien anschließen oder sogar einen Anschlag wie in Paris oder Istanbul begehen?
Dominic Schmitz: Die meisten Leute, die aus Europa nach Syrien reisen, sind Menschen, die einen Bruch in der Vergangenheit haben, keine großartige Bildung, keine Perspektive. Bei denen zieht es, wenn jemand sagt: »Hör mal, du hilfst deinen Brüdern und Schwestern in Syrien, du kannst in der Hierarchie ganz schnell aufsteigen beim IS, du kannst Kommandant werden, Richter oder Stadtrat. Und falls du dort stirbst, bist du sündenfrei und bekommst 72 Paradiesjungfrauen.«
Die 72 Jungfrauen im Paradies – haben Sie und Ihre Glaubensbrüder das wirklich ernst genommen?
Ja, das ist eine reale Vorstellung. Im Paradies hat man Sex mit Jungfrauen, in der Hölle wird man gefüttert mit Eiter und Blut, man verbrennt, ein Engel schlägt einem ständig einen Stein auf den Kopf.
Abgeschrieben
Ich wohn jetzt seit fünf Jahren in Köln, aber in Chorweiler war ich bis heute noch nicht. Wenn man das hier so liest, fragt man sich auch, was man denn da überhaupt soll, aber vielleicht ist das ja auch der beste Grund, sich die Gegend mal anzugucken.
Tippt man bei Google „Chorweiler ist“ ein, bietet die Suchmaschine zwei Ergänzungen an: „Asi“ und „gefährlich“. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat das vor ein paar Monaten aufgegriffen und die Stadtteile mit Hilfe der Ergänzungen charakterisiert. Ehrenfeld war danach „hip“, Nippes „schön“ und Kalk „gesund“. Auf dem Stadtgebiet von Chorweiler war ein Baseballschläger abgebildet, dazu das Wort „gefährlich“. Als Reinhard Zöllner an diesem Morgen die Zeitung las, schlug er auf den Tisch. Eine Tasse ging kaputt.
Zisch, Knall, Peng, Klirr!
Vielleicht werd ich ja auch langsam als und träge, aber ich bin schon länger der Ansicht, dass man der Sache schadet, wenn man sich so benimmt. Es ist einfach taktisch dumm. Und bescheuert.
Aber vielleicht sind die Autonomen auch ein bisschen beleidigt. Fühlen sich vergessen. Jetzt, wo überall randalierende Knallköpfe rumlaufen. Vielleicht wollen sie zeigen: Hey, wir sind auch noch da, ihr müsst auch Angst vor uns haben! Flugs spricht der Innensenator von Straßenterror. Morgen, hundertpro, sind es Terroristen. Im Wortsinn, ja, war das sehr erschreckend – aber wieso kann ich es nicht wirklich ernst nehmen? Wieso find ich es irgendwie kindisch? Bürger, denke ich in meiner zunehmenden Altersweisheit, bleibt besonnen, anstatt die völlig unterbesetzte Polizei in vollidiotische Häuser- und Straßenkämpfe zu verwickeln. Es gibt Wichtigeres jetzt!
2016, du Arschloch – Roger Willemsen und die Angst vor dem kulturellen Leerstand
Micky Beisenherz ist doch eigentlich immer einer von den Lustigen. Ja, aber eben nicht nur. Nachrufe kann er scheinbar auch.
Roger Willemsen. Warum geht mir sein Tod eigentlich so besonders nahe? (Hab ihn ja nicht mal gekannt und verdammt nochmal, ich hätte gerne mit seiner Bekanntschaft geprahlt.) Vielleicht, weil ich merke, dass dieser Krebs eben doch eine verdammt ernste Sache ist.
Als im letzten Jahr die Meldung von der Erkrankung kam, dachte ich doch, der steht ein halbes Jahr später wieder auf der Matte, und plötzlich: Gar nichts mehr.
Morgens noch das Wort „Steißschaukelei“ in eine Kolumne eingebaut, schmunzelnd, weil ich den Begriff so toll fand, den er in einem Interview benutzt hatte – abends ist das plötzlich schon Erbschleicherei. Wenn dann noch jemand geht, der viel zu jung ist, dann aber auf so mitreißende Art flirrt, das Leben offenkundig liebt, erscheint es einem umso unwirklicher. Und einfach falsch.
Roger Willemsen – Immer zu früh
Ja, ich gehöre auch zu den wahrscheinluch sehr vielen Menschen, die Roger Willemsen gemocht haben. Er war einfach jemand, dem man sehr gerne zugehört hat. Es hat sich immer gelohnt.
Damals hatte er beim damaligen Pay-TV-Sender Premiere eine Interviewreihe, Willemsen – das Fernsehgespräch, und im November 1993 war sein Gast der Modemacher Wolfgang Joop. Ich erinnere mich, wie ich damals dachte, dass ich noch nie zwei Menschen im Fernsehen gesehen hatte, die so ernsthaft und gleichzeitig unterhaltend miteinander sprachen. Denn das war eine der großen Künste von Roger Willemsen: mit dem Ernsten zu unterhalten und das Unterhaltende ernst zu nehmen. Eine Kunst, mit der er im deutschen Fernsehen eigentlich zu früh dran war – so wie mit seinen Kolumnen.
Zum Tod von Roger Willemsen: Der Anti-Spießer
Und weil es sich immer gelohnt hat ihm zuzuhören, gibt es auch so viele tolle Anekdoten mit und über ihn. Das macht die Nachrufe für ihn eher unterhaltsam als traurig, was ihm vermutlich gefallen hätte.
Eine Marktforschung ergab einmal, dass er besonders gut bei älteren, nicht besonders gebildeten Hausfrauen aus dem ländlichen Raum ankommt, und das traf wirklich zu. Wenn entsprechende Gruppen auf ihn warteten oder ihn erkannten, flüsterte er hingerissen: „Meine Zielgruppe!“ Er erwiderte diese Zuneigung hemmungslos und musste sich nicht verstellen, denn er war ohne jeden Dünkel und ohne Scheu vor den Leuten.
Einmal sinnierte er scherzhaft über den in Krimis so beliebten Satz: „Das Opfer muss seinen Mörder gekannt haben!“ Und er folgerte in gespielter Schurkenhaftigkeit: „Mich kennen die Leute auch, mich lässt auch jeder rein!“
Zum Tod von Roger Willemsen: „Wenn man ein Image hat, muss man es schänden“
Warum ich den öffentlichen Roger Willemsen so gemocht habe? Weil er so wunderbar böse sein konnte.
Manchmal packte Willemsen seinen Zynismus in den süßen Mantel der Ironie. Den deutschen Fernsehpreis für RTL Aktuell als beste Nachrichtensendung kommentierte er trocken – und zum Ärger von Markus Lanz – mit „eine bahnbrechende Wendung im investigativen Journalismus.“ Und manchmal griff er klar und ohne Umschweife an: „Ich habe noch nie einen Fernsehmacher getroffen, der nicht klüger ist als das Programm, das er vertritt. Es liegt eine gewisse Arroganz darin zu sagen: Das können wir dem Zuschauer nicht zumuten.“