Willkommen!: Im gelobten Land

Wahnsinnig guter Text über Menschen, die – von Ereignissen überrumpelt – gar keine andere Wahl haben, als sich mit der neuen Situation pragmatisch zu befassen. Vor allem aber auch ein Text, der ein bisschen Hoffnung macht, dass es hier nicht nur dumpfe Deppen gibt. (via Michael)

    ↳ Jeden Tag stehen Dutzende Familien vor den Passauer Beamten, jede Woche Tausende Flüchtlinge. Die Arbeit der Polizisten ist Leid am Fließband. Schaut man ihnen ein paar Tage zu, erkennt man, dass auch sie sehr müde sind, aber alles dafür tun, den Fremden so viel Nähe zu geben wie möglich. Jedem Einzelnen in der Masse seine Würde zu lassen.

Wie stark eine Zivilisation ist – vielleicht ist das am besten in Zeiten wie diesen zu ermessen. Und an Orten wie einer Polizeiwache.
[…]
In den Übersetzungen werden Muster sichtbar. Oft sind es Waisen, die fliehen. Wenn Eltern ihre Kinder losschicken, dann den ältesten Sohn. Der ist der Stärkste; derjenige mit den größten Chancen, durchzukommen und vielleicht die Familie nachzuholen. Und er ist der Schwächste; derjenige, nach dem Taliban und IS als Erstes greifen. Es gibt Fälle, in denen Kinder entkamen und ihre Eltern aus Rache getötet wurden. Manchmal summt in Passaus Notunterkünften ein Handy. Und kurz darauf ist ein erstickter Schrei zu hören.


916 Worte über einen unerfüllten Kinderwunsch

Alles redet immer darüber, was Kinder mit uns machen, wenn wir älter werden. Was es mit einem macht, keine Kinder zu haben, scheint irgendwie niemanden zu interessieren. Lena lässt sich hier mal tief ins Herz gucken.

    ↳ Vor drei Jahren bekam ich von meiner Gynäkologin die Diagnose: kein Eisprung mehr. Damals war ich 38, Single, und es war ein Schlag mitten in die Fresse.
Vier Jahre zuvor hatte es eine Trennung gegeben, elf Jahre Beziehung waren vorbei und ich hatte mich gerade einigermaßen berappelt. Soll heißen: ich hatte mich zumindest soweit erholt, dass mir der Gedanke, jemanden zu finden und vielleicht doch, wenn auch spät, ein Kind zu bekommen nicht mehr ganz so abwegig erschien.
Und dann kam die Natur und nahm mir diese Entscheidung ab. Und ich verstand die Welt nicht mehr.


Heraus aus der Trauerecke

Ich bin ja ein großer Fan der Stolpersteine und kann wirklich nicht nachvollziehen, wie man sich dagegen entscheiden kann, so wie München es getan hat.

    ↳ Wir leben auf einem jüdischen Friedhof und es reicht nicht, auf diesem Friedhof eine Trauerecke zu demarkieren, auch wenn diese die Größe eines Fußballstadions hat. So wie das jüdische Leben früher und der jüdische Tod danach, so ist auch die Geschichte darüber in Deutschland überall. Sie füllt unsere Städte und bedeckt unseren Boden. Die Stolpersteine sind die Merkposten dafür. Sie sind unsere Trauer, unser schlechtes Gewissen und sie sind die letzten Erinnerungen an das, was Deutschland früher war. Im Guten wie im Schlechten.


As My Face Disappeared So Did My Mother and Father

Wie muss es eein, ohne Eltern aufgewachsen zu sein? Und wie muss es sein, wenn man weiß, dass einen die Eltern verlassen haben. Dass sie einen gesehen haben und sich dann bewusst dazu entschieden haben, das Weite zu suchen. Es muss grausam sein.

    ↳ Three days after his birth, a perfect baby, the carrier of his young parents’ dreams and ambitions, became what some might call a monster. Like ants on honey, a bacterial infection consumed his face, and as quickly as his face disappeared, so did his mother and father. The newborn that his parents had expected to take home and raise as their cherished son was no longer the child they had the courage to claim.

I was that baby.


Non-stop action: why Hollywood’s ageing heroes won’t give up the gun

Ja, da ist was dran. Die Jungs machen einfach immer länger weiter und spielen Rollen, die man ihnen eigentlich überhaupt nicht mehr abnehmen kann. Warum eigentlich?

    ↳ Male careers in the movies have always been longer than female ones, but until recently there was only one real route to on-screen immortality – to the certified, gold-standard agelessness of, say, Cary Grant. (In North By Northwest, Grant, then 55, not only appeared opposite a woman 20 years younger than him, Eva Marie Saint, his screen mother was played by someone only seven years his senior.) The key principle is suavity: the refusal to break a sweat; sophistication with the faintest hint of self?mockery; the actor letting us know that he is old enough to know how silly this all is.

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