Wie angekündigt bin ich ja nebenbei auch der Kurzfilm-Typ bei den Blogrebellen und poste da sonntags eine kurze Alternative zum Tatort. Oft sind das Kurzfilme, die ich hier schon hatte – diesmal ist es andersrum, da der Kurzfilm zuerst bei den Blogrebellen aufploppte. Der ist aber so toll, dass ich den Artikel hier auch haben will. Ich hab auch noch ein Interview mit den Jungs hinter dem Kurzfilm gemacht und auch hier unter dem Video reingeklebt…


Es gibt sie ja tatsächlich, diese Menschen, die einfach nur strunzlangweilig sind. Die nichts, aber auch wirklich gar nichts erlebt haben, das irgendwie interessant wäre. Die Menschen, die einem absolut nichts zu erzählen haben.

Man fragt sich dann immer, woran sowas liegen kann. Ob diese Leute wirklich unter dem sprichwörtlichen Stein gelebt haben. Oder ob es wirklich Menschen gibt, die so langweilig sind.

Glücklicherweise treffen wir immer dann, wenn wir nicht damit rechnen, die Leute, die am meisten zu erzählen haben. Und zwar nicht einfach nur Geschichten, die uns ein „Boah, echt? Krass.“ entlocken, sondern vielleicht auch mal nichts. Geschichten, die uns erstmal verstummen lassen. Die uns dazu bringen in uns zu gehen und auch mal wieder nachzudenken. Manchmal teilen Menschen mit uns Erlebnisse, die wie ein Katalysator wirken und tief in uns drin Dinge in Bewegung bringen, die wir eigentlich gut vergraben hatten. Dinge, die wir jetzt nach langer Zeit auch mal wieder ans Tageslicht befördern.

Man unterschätzt oft, wie befreiend das wirken kann. Wie sehr uns ein solcher Moment verändern kann.

Ähnlich erging es Sven, als er eines Abends einen One Night Stand hatte. Irgendwann sitzt man da. Erschöpft und bestenfalls glücklich und weiß nicht so recht, was mit der Situation anzufangen ist. Diese Leere wird jedoch sehr schnell gefüllt – mit einem überaus persönlichen Gespräch, bei dem Dinge zur Sprache kommen, die beide sonst niemandem erzählt haben und die man normalerweise auch nicht irgendjemandem erzählt, den man gerade erst kennengelernt hat. Aus gutem Grund, denn beide haben Sachen erlebt, die einen für immer prägen.

Im dem Kurzfilm dürfen wir dabei sein.

Ein One-Night-Stand und ein Gespräch. Jeder von uns hat eine Geschichte. Doch manche sind unfassbar traurig. Aber das Leben geht weiter und aus einer zufälligen Begegnung wird ein ergreifender Moment, der so schön und ehrlich ist, dass es weh tut.

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Sexgeschichten ist ein Kurzfilm mit Bella Wedjelek und Lucas Weißbach in den Hauptrollen. Regie geführt haben Sven Pinke und Christoph Ziehl, mit denen ich folgendes Gespräch per Mail für euch führen konnte.

Allerdings sollte man sich das Interview erst durchlesen, nachdem man den Film gesehen hat. Es besteht akute Spoilergefahr!

el flojo: Wie seid ihr denn auf die Idee gekommen, dieses Gespräch zu verfilmen? Gab es da einen besonderen Auslöser? Oder hattet ihr die Idee schon länger im Hinterkopf?

Sven: Eigentlich war mir diese Situation lange nicht so in ihrer Bedeutung bewusst. Wie das halt so ist. Man ist jung und lässt sich gerne mal auf Frauen ein, gerne auch wildfremd.

Christoph und ich haben lange Zeit jeden Montag einen Filmeabend gemacht, da kam die Idee zum ersten Mal zum Vorschein. Wir saßen da also und guckten uns gerade die neueste Folge irgendeiner Serie an (es kann eigentlich nur Game of Thrones, Walking Dead oder Orphan Black gewesen sein). Kann sein, dass die ein oder andere Tüte geraucht wurde. Und jeder kennt diesen High-sein-Trip: Urplötzlich knallt eine Synapse durch und man kramt instant eine längst vergessen gedachte Anekdote aus dem Gehirn. Ich stoppte also was auch immer gerade lief und hatte den Drang meinen Kameraden diese Geschichte mit all meinen Gefühlen dazu zu erzählen. Dann war Stille und jemand sagte „daraus müsste man einen Kurzfilm machen“. Das war die erste Idee. Bevor es zur Umsetzung kam, haben wir jedoch noch 2 Kurzfilme und 2 Mini-Dokus für den YouTube Kanal gedreht. Wir kommen zwar beide vom Fernsehen, aber Filme sind doch sehr anders als tägliche Berichterstattung. Auf dieselbe Weise sind auch die meisten anderen Filmideen entstanden.

el flojo: Wie hat das Mädel reagiert, als Ihr sie gefragt habt, ob sie euch unterstützen will?

Sven: Ich habe sie bei Facebook angeschrieben und ihr ausführlich erklärt, was ich vorhabe. Ich wollte auch ihre Rolle authentisch gestalten und bat sie mir ihre Vergangenheit noch einmal detailiert zu erklären (wofür ich mich irgendwie geschämt habe). Sie war erstaunlich aufgeschlossen und fügte viele Fakten hinzu, die ich noch nicht kannte, die auch im Film selber nicht erzählt werden. Ich war ehrlich gesagt überrascht, wie offen sie damit umging. Sie wollte lediglich die Erste sein, die den fertigen Film sehen darf. Also schenkte ich ihr 2 Freikarten für die Kinopremiere. Im Anschluss sagte sie mir, dass sie der Film sehr berührt, aber auch enorm aufgewühlt hat. Sie musste das erst einmal verdauen, was da gerade über die Leinwand lief.

Christoph: Dank ihrer detaillierten Geschichte, konnten wir Bella auch optimal auf die Rolle vorbereiten. Für mich war es dann ein absoluter Gänsehaut Moment dieses Mädchen tatsächlich bei der Kinopremiere zu sehen. Allerdings deckt sich ihr Verhalten absolut mit der Lebensbejahenden Aussage des Film, was mich unheimlich stolz macht.

el flojo: Kanntet ihr die Schauspieler vorher schon persönlich? Wie haben die beiden reagiert, als sie das erste Mal das Skript gelesen haben?

Sven: Lucas kannten wir beide, Christoph aber wesentlich länger und besser als ich. Seine Freundin Bella hab ich erst wegen dem Dreh kennen gelernt, ehrlich gesagt habe ich beide vorher nie spielen sehen. Die Beiden spielen seit geraumer Zeit im Jugendtheater in Brandenburg an der Havel. Christoph hat dort selbst lange gespielt, später als Regieassistent gearbeitet und Videoinstallationen für die letzt Produktion gedreht. Beide wurden dieses Jahr zum 2. Mal mit dem Papageno-Award ausgezeichnet, dem größten Jugendtheaterpreis Europas. Ich durfte sie mir dann auch bei einer Theaterprobe in Aktion anschauen. Bella bekam den Text als Backstory, den mir das Mädel von damals geschickt hatte. Lucas gab ich einen Ordner mit Zeitungsartikeln und dem ganzen Gerichtsprotokoll zum recherchieren. Auch Bella hat das gelesen und musste anschließend kräftig heulen. Ehrlich gesagt hab ich mir das selbst nie komplett durchgelesen und beim Dreh sogar ein neues Detail erfahren, was ich lieber nicht gewusst hätte. Die beiden haben aber super improvisiert. Für den Rest haben wir nur ein paar Ankerpunkte wie das Taschentuch am Anfang (hatte so etwas noch nie in einem Film gesehen!) und den Joint vorgegeben. Der eigentliche Text entstand dann im Spiel. Erstaunlicherweise war die Plansequenz vom Gespräch nach dem ersten Take im Kasten.

el flojo: Gab es erwähnenswerte Reaktionen aus eurem Umfeld?

Christoph: Es gab insgesamt sehr viele überwiegend positive Reaktionen. Der Film nimmt einen sehr mit und hinterlässt doch ein Lächeln. Aus der Branche und von Kollegen gab es ähnlich positive Reaktionen. Besonders die wohlwollende Kritik von Rosa von Praunheim, bestärkt mich in dem Gefühl, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Auch wenn man dramaturgisch bei Sexgeschichten vieles hätte anders machen können. Aber das wollten wir gar nicht. Wir wollten (bis auf den Ort und das Ende mit mir) die Geschichte so erzählen, wie sie wirklich passiert ist.

Sven: Ich habe meinen Eltern bis zum Tag der Premiere nichts vom Film erzählt. Ich wollte sie nicht aufwühlen, weil meine Mutter Ronny lieber als lebendig in Erinnerung hat. Sie haben es zur Kenntnis genommen, aber auffällig nix zu gesagt. Den Film haben sie noch nicht gesehen. Muss auch nicht sein.

el flojo: Sven, seid ihr beiden noch befreundet oder war das tatsächlich einer dieser Momente, nach denen man wieder auseinandergeht, aber trotzdem alles anders ist?

Sven: Nein, nicht wirklich. Ich habe sie bei der Kinopremiere das erste mal seit Jahren wieder gesehen. Es war ein wirklich schönes Erlebnis mit ihr, aber mehr wurde daraus nicht. Ein typischer Discofick könnte man fast sagen, nur mit mehr Tiefgang. Ich hab seit ein paar Jahren eine feste Freundin, mit der ich seit April eine gemeinsame Tochter habe. Wer Frauen kennt, der weiß dass da Freundschaften mit anderen Frauen eher tabu sind. Und schon gar nicht wenn man mit ihr Sex hatte – der ausgesprochen gut war. Mein Leben ist mir wichtig! Aber Scherz beiseite, ich bin Familienvater geworden und da gibt es nur Platz für meine Freundin und Tochter zuhause.

el flojo: Ich danke euch für so viel Einblick und Offenheit. Vielleicht zum Abschluss noch was zu euch beiden? Wer seid ihr und wo kommt ihr her?

Christoph: Sven(27) und ich(26) haben beide bei einem kleinen Lokalfernsehsender in Brandenburg an der Havel eine Ausbildung zum Mediengeststalter für Bild und Ton gemacht. Sven war ein Jahrgang unter mir und arbeitet immernoch dort als Redakteur, Kameramann und Cutter. Ich habe zwar auch noch ein Jahr nach meiner Ausbildung dort gearbeitet, studiere jetzt aber Europäische Medienwissenschaft an der Uni Potsdam und arbeite nebenbei in der Onlineredaktion vom Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB).

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