Selbstverständlich könnte ich mich jetzt einfach über die Bahn aufregen.
Wie so oft. Es wird einem ja auch so einfach gemacht.
Aber irgendwie wäre es auch ein bisschen billig, sich über diesen echt ranzigen IC aufzuregen, in dem ich sitze, während ich anfange zu tippen. Ich werde es auch unterlassen, darüber nachzudenken, warum die Bahn den vielen Mitarbeitern, die sich offensichtlich bei Durchsagen nicht wohlfühlen, nicht einfach mal hilft und sie in ein Seminar schickt. Sowas kann man ja lernen.
Nein, irgendwie geht es mir selbst auf den Keks, dass ich andauernd über die Bahn meckere. Schließlich macht ihr das ja auch ständig. Weil es einem ja so einfach gemacht wird.
Aber kann man denn überhaupt etwas Positives über die Bahn erzählen? Nun, wenn man nur oft und lange genug im Zug sitzt, ist das durchaus möglich. Nicht umsonst pflege ich mein Alter Ego namens ÖPNV-Man.
Man kann in der Bahn durchaus netten Menschen begegnen und/oder lustige Erfahrungen machen, die einem das Gefühl geben, dass nicht alles schlecht, versifft, überhitzt und hoffnungslos verspätet ist.
Beispiel gefällig?
Da wäre der Zugbegleiter, den ich ab und an mal auf der Strecke Münster-Dortmund erleben durfte, der Ansagen von einem anderen Stern gemacht hat. So in etwa wie Michael Buffer. Nur auf Speed!
„Und der nächste Halt? Jawohl, Sie haben es geahnt: Caaaaaaapelleeeeeeeeeee!!!“
Ein Knüller, dieser Kerl.
Extrem interessant auch die beiden Zugbegleiterinnen zwischen Essen und Köln, die wohl nie erfahren werden, weshalb wir uns kaputtgelacht haben. Klar, die eine wollte der anderen nur irgendwelchen Dreck von der Hose klopfen. Aber wenn sich Dame 1 wie bei einer Polizeiuntersuchung an die Wand stellt und dann von Dame 2 den Arsch versohlt kriegt, dann entbehrt das nicht einer gewissen Situationskomik.
Wirklich toll war der Schaffner auf dem Weg von Essen nach Recklinghausen. Man nehme einen Schaffner aus Nigeria, eine Studentin aus China und eine Omma ausm Pott, bringe sie in eine Fahrkartenkontrollsituation kurz vor der Geltungsgrenze des Tickets der Studentin, mische das Ganze mit einem gut gemeinten aber völlig missverstandenen Angebot des Schaffners sowie anschließender aufgeregter Diskussion zwischen den Dreien. Und jetzt denke man sich einfach, dass der Bahnmensch sich nicht einfach professionell trocken entschuldigt und weitermacht, sondern sich mit den beiden drüber kaputtlacht und anschließend allen Anwesenden Jägermeister verkauft, weil man ja was zu feiern habe. Ja, auch den Umstehenden. Spaß bei der Arbeit vom Feinsten.
Den hatte auch der Schaffner im ICE von Kiel nach Hamburg, den ich letzte Woche hatte. Wir saßen schon drin, als noch die Infoblättchen für die Fahrt verteilt wurden, ich bedankte mich artig und fragte, ob der Inhalt auch in der Klausur vorkomme. Eine Klausur würde es nicht geben, aber einen Test, ich solle also gut lernen. Als wir dann eine Viertelstunde später kontrolliert wurden, kam dann auch direkt die Frage an mich, um wieviel Uhr wir Hamburg Hbf erreichen. Natürlich um 18:18! Yeah!
Selbstverständlich wollte ich eine Belohnung für mein bestandenes Fahrplanexamen. Einen Biene-Maja-Stempel hatte er nicht, einen tollen Aufkleber auch nicht. Aber eine Blume hat er mir auf mein Ticket gemalt und als Echtheitszertifikat gab’s noch nen Zangenabdruck über das Kunstwerk. Ich liebe es, wenn Leute für jeden Scheiß zu haben sind.
Liebe Bahn, sorg doch einfach für Arbeitsbedingungen, bei denen sich eure Leute wohlfühlen. Dann werden die auch lockerer. Wenn sie wollen und man sie lässt, können sie das nämlich durchaus sein!
Und jetzt will ich was von euch. Ihr Meckerköppe, die genauso wie ich immer nur über alles motzen. Ihr habt doch auch schon alle mindestens eine tolle Bahnerfahrung gemacht und vergesst nur immer wieder, sie zu erzählen, oder?
Raus damit! Her damit!
Schreibt mir das Erlebte in die Kommentare, schreibt einen eigenen Blogartikel bei euch und linkt hierhin oder schickt mir ne Mail. Ich will jetzt schöne und lustige Geschichten aus unser aller Haupttransportmittel lesen. Und mit eurer Erlaubnis bastle ich einen neuen Artikel daraus.
Ich weiß doch, dass ihr was auf der Pfanne habt.
Moin,
ja was sagt man dazu. Da wuehle ich meinem fast 6 Jahren umfassenden Bahnblog herum, und ich finde auf anhieb nur eine Geschichte, die ein etwas positiveres Licht auf die Deutsche Bahn wirft. (http://www.fahrbier.de/2009/06/lob-den-kundenservice-ruckgabe.html). Wobei, einen durchaus unterhaltsamen Faktor haben der eine oder andere mit „Ansagen“ gelabelte Eintrag ja schon irgendwie (http://www.fahrbier.de/search/label/Ansagen).
Was ich allerdings sagen kann – nachdem ich viele Kilometer auf deutschen Schienen in deutschen Zügen zurückgelegt habe und danach den Nahverkehr in und um New York erlebe – ist: Bei der DB geht es eigentlich so schlimm garnicht zu. Allein die Qualität der Fahrzeuge und Schienenwege – da liegen Welten dazwischen. Hier: Es wackelt, quietscht und schaukelt alles. Man kann arbeiten im Zug im Prinzip vergessen. Da sind die alten Silberlinge und Umbauwagen mit einer 211 vorne dran vor 25 Jahre ruhiger und angenehmer gefahren, in denen ich auf dem Schulweg die Hausaufgaben von Mitschülern klonte.
Und sowas schickes wie einen IC mit Bistrowagen oder gar einen ICE mit Restaurant sucht man hier vergeblich. Also ich meine jetzt zum Pendeln – die AMTRAK hat sowas schon, aber damit pendelt hier kaum jemand weil die die richtig weiten Strecken zurueck legen und auch mal 24 Stunden lang unterwegs sind.
Weitere Vorteile: Das Bahnhfahren in Deutschland ist viel günstiger, Fahrpläne sind aufeinander abgestimmt, es gibt Verkehrsverbünde mit einheitlichem Tarifangebot in den Ballungszentren. Hat man hier nicht so richtig. Für den Weg zur Arbeit brauche ich 2 Monatskarten. Eine für den Regionalverkehr der mich in die Stadt und eine für die U-Bahn die mich vom Hauptbahnhof aus weiter bringt. Ich gebe hier für das Pendeln im Monat fast soviel aus, wie ich in Deutschland für monatlich die BC100 bezahlt habe.
Mit dem Abstand den ich in den vergangenen knapp 2 Jahren zur DB habe, kann ich eigentlich nur positive über das Zugfahren in Deutschland berichten. Das System ist sehr gut und trotz seiner Komplexität hat man es ziemlich gut im Griff.
Die New Yorker MTA mag viele 10.000 Menschen am Tag sicher und pünktlich nach Hause oder in die Stadt bringen, aber das scheint mir Eisenbahnlogistisch keine grosse Kunst zu sein. Am Grand Central Terminal verkehren nur 3 Linien die sich mehr als 70 Gleise teilen. Der Koelner Hauptbahnhof dagegen hat 11 Gleise und neben den S-Bahnen fahren dort auch Regionalbahnen und noch der Fernverkehr gleichzeitig ab. Und alles funktioniert überwiegend reibungslos. Auch hier kann man erstmal nur sagen, dass die Bahn sooo schlecht nicht sein kann.
Lieber Denkfabrikblogger, ich finde es sehr gut das Bahnpendlerpferd einmal so herum aufzuzäumen. Nicht immer nur draufkloppen sondern das schätzen lernen was man hat und bei richtigem Blickwinkel garnicht so schlimm aussieht.
Grüsse aus der niemals schlafenden Stadt,
Holger
Hey Holger, das nenn ich mal einen Kommentar! :)
Ja, du hast recht, wir sind hier in Deutschland natürlich schon nicht so schlecht dran, weshalb es doch manchmal jammern auf hohem Niveau ist.
Genau deshalb hab ich auch mal ein bisschen überlegt und lieber mal ein paar schöne Erlebnisse aufgeschrieben. Schön, wenn es dir gefällt. Dein Blog werd ich ab jetzt auf jeden Fall auch mal im Auge behalten.
PS: Wie biste auf den Artikel hier gestoßen? Zufall oder drauf aufmerksam gemacht worden?
Dein Beitrag sickerte irgendwie als Link in meine Twittertimeline und da hab ich mir mal was dazu zusammengeschrieben :)
[…] Mittlerweile ist es schon fest wieder zwei Jahre her, dass ich hier ein paar positive Bahngeschichte… […]
[…] der ÖPNV nicht nur für abgedrehte Abenteuer und schöne Geschichten gut ist, sondern auch die ein oder andere böse Überraschung bereithalten kann, dürfte […]
Ja, in der Tat. Denn wer ist mit der deutschen Bahn denn schon Mal eine Stunde früher angekommen?!
Ich wollte vom Bodensee nach Düsseldorf reisen, hatte mir extra eine der günstigsten Verbindungen rausgesucht. Mit dem IC nach Stuttgart und von dort mit dem EC nach Mannheim und von dort mit einem weiteren IC nach Düsseldorf. Bis Stuttgart ging alles gut, dann wurde es besser. Pünktlich kamen wir dort an und das Erste, was ich sah, war, dass mein EC Verspätung hatte: 45 Minuten. Damit konnte ich meinen Anschlusszug vergessen. Ein Mitarbeiter von der deutschen Bahn stand auf dem Stuttgarter Bahnhof herum, die aufgescheuchten Fahrgäste um sich herum beruhigend. „Wie komme ich nun nach Düsseldorf?“, war meine Frage und der Mitarbeiter zeigte auf einen ICE, der auf dem Nachbargleis kurz vor der Abfahrt stand. „Wenn Sie rennen, schaffen Sie den noch!“ Ich tat, was man mir sagte und saß kurz darauf in einem verspäteten ICE auf dem Boden auf dem Weg nach Düsseldorf. Durch zwei verspätete Züge kam ich nun eine Stunde früher in einer meiner Lieblingsstädte an. Das war schon ziemlich abgefahren. Und zwar wortwörtlich;)
[…] und gesperrte Zugklos gibt. Ich war die ganzen negativen Geschichten irgendwann mal leid und hab einfach ein paar positive Anekdoten aufgeschrieben. Muss ich demnächst mal […]